Weiteres BGH-Urteil zur Erstattung von Reparaturkosten im Totalschadenfall – AZ: VI ZR 231/09 – vom 14.12.2010

Die Richter des VI. Senats bekräftigen die bisher bestehenden Voraussetzungen  zur Erstattung von Reparaturkosten bis zur Grenze von 130 % des Wiederbeschaffungswertes.

„…… Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, bis zur so genannten 130%-Grenze nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 8. Dezember 2009 – VI ZR 119/09, VersR 2010, 363 R. 5 ff.).“

Vor dem Hintergrund, dass einige Versicherer im Totalschadenbereich kein Interesse an Arbeits- und Lacklöhnen freier Werkstätten aufzubringen vermögen sowie Kalkulationsprogramme bekannter Organisationen und vertraglich gebundener Prognoseersteller  130 % Reparaturkalkulationen gar nicht erst zulassen, erhält der unabhängige Sachverständige mit dem nachfolgenden Urteil  nachhaltigen Rechtsschutz bei angestrebten  Schadensersatzansprüchen von HuK-Versicherern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 231/09                                                                         Verkündet am:
14. Dezember 2010

in dem Rechtsstreit

Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt.

BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010 – VI ZR 231/09  – LG Hannover
AG Burgwedel

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis 2. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. Juli 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klägerin mehr als 38 € nebst Zinsen hieraus zugesprochen worden sind. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Burgwedel vom 22. Mai 2008 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 95% und die Beklagte 5%.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 9. Mai 2007, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig haftet.

Die Klägerin beauftragte am 10. Mai 2007 einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang. In dem Gutachten ermittelte dieser voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.746,73 € brutto, einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.200 € und einen Restwert in Höhe von 800 €.

Die Klägerin hat das Fahrzeug den Vorgaben des Sachverständigen entsprechend – allerdings unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gegen Zahlung von 2.139,70 € brutto reparieren lassen und bis Anfang Juni 2008 weiter genutzt. Die Beklagte hat der Klägerin die Nebenkosten, die Reparaturkosten und eine Nutzungsausfallentschädigung für 15 Tage in Höhe von 38 € täglich erstattet. Mit ihrer Klage hat die Klägerin weitere 720,30 € Reparaturkosten sowie erstinstanzlich für weitere zwei Tage und zweitinstanzlich für einen weiteren Tag Nutzungsausfallentschädigung verlangt. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe nicht nur die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, sondern fiktive Reparaturkosten bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts zu zahlen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von 758,30 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage hinsichtlich der Zinsen teilweise abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Beklagten weitere 720,30 € Reparaturkosten zu. Ein erforderlicher Reparaturaufwand bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs könne grundsätzlich verlangt werden, wenn die durch Sachverständigengutachten ermittelten Reparaturkosten diesen Betrag überstiegen und der Geschädigte durch eine fachgerechte Reparatur zum Ausdruck bringe, dass er das Fahrzeug in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzen wolle. Diese Voraussetzungen lägen nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen vor. Das Fahrzeug der Klägerin sei unter Verwendung von Gebrauchtteilen fachgerecht repariert worden, da die verwendeten Ersatzteile den beschädigten Fahrzeugteilen gleichwertig seien.

Der Klägerin stehe auch die beanspruchte Nutzungsentschädigung für einen weiteren Tag, insgesamt also für 16 Tage, zu.

II.

Die Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht der Klägerin weitere Reparaturkosten in Höhe von 720,30 € zugesprochen hat. Hinsichtlich der zusätzlichen Nutzungsausfallentschädigung für einen weiteren Tag ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden.

1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne über die bereits ersetzten Reparaturkosten in Höhe von 2.139,70 € hinaus von der Beklagten die Erstattung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 720,30 € verlangen, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

Insoweit begehrt die Klägerin den Ersatz fiktiver Reparaturkosten in Höhe von bis zu 130% des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswerts, obwohl für die tatsächlich durchgeführte Reparatur nur Kosten in Höhe von 2.139,70 € angefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Senats können jedoch Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, bis zur so genannten 130%-Grenze nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 8. Dezember 2009 – VI ZR 119/09, VersR 2010, 363 R. 5 ff.). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist damit nicht die generelle Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung bis zur 130%-Grenze eröffnet. Die Klägerin kann mithin über die bereits gezahlten konkret angefallenen Reparaturkosten hinaus nicht den Ersatz weiterer Reparaturkosten verlangen.

2. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Klägerin Nutzungsausfall in Höhe von 38 € für einen weiteren Tag zugesprochen hat.

a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai 2010 – VI ZR 293/08, VersR 2010, 1054 Rn. 3 m.w.N.). Im Streitfall ist die Schätzung des Tatrichters revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat insbesondere der Klägerin nur den im Berufungsrechtszug beantragten weiteren Nutzungsausfall für einen Tag zuerkannt, also nicht einen Nutzungsausfall sowohl hinsichtlich des Unfalltags als auch hinsichtlich des Tags, an welchem das reparierte Fahrzeug aus der Werkstatt abgeholt wurde. Zudem ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Nutzungsausfall auch für die Zeit zugesprochen hat, in der die Klägerin wegen ihres Fahrradunfalls verletzt war, weil ihr Ehemann das Fahrzeug (auch) benutzt hat und davon auszugehen ist, dass er sie während dieser Zeit – etwa bei notwendigen Arztbesuchen – befördert hätte.

b) Die Revision ist auch nicht deswegen begründet, weil die Beklagte gegen den Anspruch auf Zahlung weiterer Nutzungsausfallentschädigung die Aufrechnung mit überzahlten Reparaturkosten erklärt hat. Die Klägerin hat im Streitfall nämlich nicht nur einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 1.400 €; ihr steht vielmehr der Ersatz der von der Beklagten gezahlten Reparaturkosten in Höhe von 2.139,70 € zu.

Zwar ist die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur – wie hier – mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert liegen. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 ff.; vom 10. Juli 2007 – VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 6). In seinem Urteil vom 10. Juli 2007 hat der Senat offen gelassen, ob der Geschädigte gleichwohl Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, wenn es ihm tatsächlich gelingt, entgegen der Einschätzung des Sachverständigen die von diesem für erforderlich gehaltene Reparatur innerhalb der 130%-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2007 – VI ZR 258/06, aaO Rn. 7; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2009, 149, 150 ff.).

Im Streitfall übersteigen die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 2.139,70 € selbst bei Berücksichtigung eines nach der Reparatur verbleibenden Minderwerts von 50 € den vom vorgerichtlichen Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert nicht. Jedenfalls unter solchen Umständen, bei denen zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130%-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, kann ihm aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden. Die entsprechende Bewertung des Berufungsgerichts, welche in Einklang mit dem Gutachten des Gerichtssachverständigen und der Stellungnahme des vorgerichtlichen Sachverständigen vom 13. Juni 2008 steht, bewegt sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO und lässt keine Rechtsfehler erkennen. Der Klägerin stehen mithin die konkret angefallenen Kosten der Reparatur zu, die seitens der Beklagten bereits erstattet worden sind.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                                           Zoll                                           Wellner
Diederichsen                                  Stöhr

Vorinstanzen:

AG Burgwedel, Entscheidung vom 22.05.2008 – 9 C 6/08 –
LG Hannover, Entscheidung vom 01.07.2009 – 12 S 42/08 –

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5 Antworten zu Weiteres BGH-Urteil zur Erstattung von Reparaturkosten im Totalschadenfall – AZ: VI ZR 231/09 – vom 14.12.2010

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Virus,
    „Vor dem Hintergrund, dass einige Versicherer im Totalschadenbereich kein Interesse an Arbeits- und Lacklöhnen freier Werkstätten aufzubringen vermögen sowie Kalkulationsprogramme bekannter Organisationen und vertraglich gebundener Prognoseersteller 130 % Reparaturkalkulationen gar nicht erst zulassen, erhält der unabhängige Sachverständige mit dem nachfolgenden Urteil nachhaltigen Rechtsschutz bei angestrebten Schadensersatzansprüchen von HuK-Versicherern.“ Deine Mutmaßung und Schlußfolgerung ergibt sich aus dem Urteil nicht. Das Urteil des VI. Zivilsenates des BGH vom 14.12.2010 ist gar kein 130%-Urteil. Es bestätigt lediglich, dass der geschädigte Kfz-Eigentümer seine tatsächlichen Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert erstattet verlangen kann (konkrete Abrechnung). Liegen die voraussichtlichen Reparaturkosten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert, ist eine Reparatur in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. In diesem Fall wird der Geschädigte auf die Wiederbeschaffungskosten beschränkt. Eine Aufspaltung der voraussichtlichen Reparaturkosten in einen wirtschaftlich sinnvollen und in einen unsinnigen Teil ist nicht möglich (vgl. Wortmann DS 2008, 85, 86). Lässt der Geschädigte ordnungsgemäß und nach den Vorgaben des Sachverständigen preiswerter, d.h. unterhalb des Wiederbeschaffungswertes, reparieren, so kann er die konkret angefallenen Reparaturkosten (bis zum Wiederbeschaffungswert) ersetzt verlangen. Eine fiktive Abrechnung im 130%-Bereich ist nicht möglich. Dass die freien und unahängigen Sachverständigen mit diesem Urteil nachhaltigen Rechtsschutz erhalten, erschließt sich mir aus dem Urteil nicht. Vielleicht kannst Du das mal erläutern?
    Willi Wacker

  2. RA Uterwedde, Leipzig sagt:

    hallo willi wacker,

    das urteil klärt eine bisher umstrittene und 2007 (VI ZR 258/06) vom senat noch offen gelassene (dort lagen die geschätzenen RK bei 245% des WBW, die tatsächlichen RK aber nur noch bei 129,8%, allerdings war nicht fachgerecht und vollständig repariert worden) frage

    Lässt der Geschädigte ordnungsgemäß und nach den Vorgaben des Sachverständigen preiswerter, d.h. unterhalb des Wiederbeschaffungswertes, reparieren, so kann er die konkret angefallenen Reparaturkosten (bis zum Wiederbeschaffungswert) ersetzt verlangen.

    wobei sich deine einschränkung „(bis zum Wiederbeschaffungswert)“ aus dem urteil m.e. gerade nicht ergibt (s.u.)

    ich denke virus meinte, dass die sachverständigen nun aus einem 131%-fall (RK > 130% des WBW) einen 130%-fall machen können, indem sie mit den preisen freier werkstätten rechnen oder gebrauchte teile kalkulieren. warum sollte man dem SV auch das recht absprechen, eine ordnungsgemäße reparatur in einer freien werkstatt zu kalkulieren. er darf doch auch beurteilen, ob z.b. eine beschädigte tür auszutauschen oder lediglich instandzusetzen ist.

    dies war bisher keineswegs klar, weil die versicherer nach der rosinentheorie in diesen fällen natürlich mit den vertragswerkstattpreisen einen 131%-fall errechnet und nur auf totalschadenbasis abgerechnet haben.

    nun ist (endlich) geklärt, dass der geschädigte, dem es gelingt, seinen 131%-schaden preiswerter zu reparieren, die tatsächlich entstandenen und nachzuweisenden kosten zu erstatten sind.

    explizit entschieden hat der senat dies für den fall, dass die tatsächlichen reparaturkosten unter dem WBW liegen.

    aber man wird der begründung wohl auch entnehmen können, dass die kosten zu erstatten wären, wenn sie z.b. bei 125% des WBW gelegen hätten.

    Nach der Rechtsprechung des Senats können jedoch Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, bis zur so genannten 130%-Grenze nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 8. Dezember 2009 – VI ZR 119/09, VersR 2010, 363 R. 5 ff.).

    allerdings gilt natürlich das bereichungsverbot:

    Entgegen der Auffassung der Klägerin ist damit nicht die generelle Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung bis zur 130%-Grenze eröffnet. Die Klägerin kann mithin über die bereits gezahlten konkret angefallenen Reparaturkosten hinaus nicht den Ersatz weiterer Reparaturkosten verlangen.

    ich verstehe das urteil so, dass die geschädigte auch tatsächlich angefallene RK erhalten hätte, wenn sie über dem WBW aber niedriger als 130% dessen gelegen hätten.

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Kollege Uterwedde,
    mit diesem Urteil hat m.E. der BGH nur eine fiktive Abrechnung im 130%-Bereich nicht zugelassen. Wenn der Geschädigte z.B. mit Gebrauchtteilen es schafft, eine Reparatur fachgerecht und nach den Vorgaben des Sachverständigen unter dem 130% Betrag zu erreichen, und diese konkret abrechnet, dann ist nach obigem Urteil der Schädiger verpflichtet, den konkret aufgewandten Reparaturbetrag (über WBW bis 130% des WBW) auszugleichen. Denn mit der Repararatur hat der Geschädigte sein Integritätsinteresse bewiesen. Er braucht dann noch nicht einmal 6 Monate das Fahrzeug zu nutzen, da konkret abgerechnet wird.
    Mit freundl. koll. Grüßen
    Willi Wacker

  4. RAMP sagt:

    Die große Bedeutung des Urteil liegt in der bislang nur durch günstigere Stundenverrechnungssätze möglichen Verschiebung der Opfergrenze! Erstmals hat der BGH die von ihm ersonnene Floskel der Vorgabe einer Reparatur im 130 % Fall konkretisiert. Es überascht für den Geschäigten im positiven Sinne, dass die bislang bestehende Vorraussetzung einer Abrechnung auf 130 % Basis dahingehend, dass eine Reparatur WERTMÄßIG in dem vom Gutachten vorgegebenen Umfang zu erfolgen hatte( was m.E. ja nur die Verwendung von Neuteilen bedeuten kann) auch erfüllt ist, soweit Gebrauchtteile verwendet wurden.
    Damit eröffnen sich für den Geschädigten völlig neue Perspektiven zumindest bei konkreter Abrechnung. Denn die Kosten für Gebrauchtteile sind ein variabler Posten und führen zu einer beeinflussbaren Verschiebung der Wiederherstellungskosten – dies wird weitreichende Folgen haben!

  5. RA Uterwedde, Leipzig sagt:

    hier nun eine weitere entscheidung des BGH vom 08.02.2011 zu diesem problemfeld:

    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=55541&pos=7&anz=640

    es ging darum, dass die RK deutlich über dem WBW lagen und der geschädigte das fahrzeug, diesmal ein motorrad, durch einen nicht näher spezifizierten nachlass der werkstatt von 11% für 130% des WBW nach den vorgaben des sachverständigen repariert hatte.

    der BGH bestätigt das urteil des berufungsgerichtes, welches die klage abgewiesen hat. zur begründung führt er aus, dass durch die rechnung die schadensschätzung des SV bestätigt wurde. damit war die reparatur nach wie vor unvernünftig. weil der kläger nicht näher zu den umständen des rabattes vorgetragen hatte, könne die frage der wirtschaftlichkeit nicht überprüft werden. damit sei die tatrichterliche würdigung des berufungsgerichtes REVIONSRECHTLICH nicht zu beanstanden.

    die frage, ob der versicherer die konkreten reparaturkosten, die über dem WBW liegen, aber 130% dessen nicht übersteigen, hätte bezahlen müssen, wenn die rechnung bspw. niedrigere stundensätze oder ersatzteilpreise (gebrauchtteile) ausgewiesen hätte, bleibt damit offen, wenngleich man dem urteil vom 14.12.2010 m.e. entnehmen kann, dass auch diese zugesprochen werden würden (siehe hierzu mein posting in diesen threat vom 18.01.2010).

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