LG Gießen verurteilt Allianz Vers-AG zur Zahlung der merkantilen Wertminderung auch bei älterem Fahrzeug und zur Zahlung der fiktiven Richtwinkelanmietpreise und UPE-Zuschläge mit Berufungsurteil vom 1.7.2013 – 1 S 231/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachdem wir Euch einige kritsch zu betrachtende Entscheidungen bekanntgegeben hatten, nun eine erfreulich klar begründete Entscheidung aus Hessen. Vor der Berufungskammer  des LG Gießen ging es um die Schadensabrechnung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall bei einem Fiktivabrechner und um die merkantile Wertminderung auch bei einem älteren Fahrzeug. Hiervon will die Versicherungswirtschaft bekanntlich nichts wissen. Aber auch bei älteren Fahrzeugen tritt bei einem offenbarungspflichtigen Schaden eine merkantile Wertminderung ein. Die Allianz-Versicherung als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung wollte die fiktiv abgerechneten Richtwinkelanmietpreise und die UPE-Zuschläge nicht erstatten, mit dem Argument, dass bei fiktiver Abrechnung diese Positionen nicht anfallen. Dabei vergisst die Allianz, dass auch die Reparaturkosten, so wie sie kalkuliert wurden zu ersetzen sind, obwohl sie bei fiktiver Abrechnung nicht anfallen. Das ist nunmal die Folge der Abrechnung auf Gutachtenbasis. Das Schadensersatzrecht ist eben kein Kostenerstattungsrecht. Da muss die Allianz offenbar noch viel lernen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Landgericht Gießen                                                         Lt. Protokoll
.                                                                                         verkündet am
Aktenzeichen: 1 S 231/12                                                  01.07.2013
30 C 98/11 (70) Amtsgericht Alsfeld

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Allianz Versicherungs AG, vertr. d. d. Vorstand, an den Treptowers 3, 12435 Berlin

Beklagte und Berufungsklägerin

gegen

Klägerin und Berufungsbeklagte

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen

durch den Richter am Landgericht …
– als Einzelrichter –

im schriftlichen Verfahren unter Schriftsatznachlass bis zum 21.06.2013
am 1.7.2013
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Alsfeld vom 25.07.2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.114,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 88% und die Klägerin 12% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie nur geringen Erfolg.

Wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Lebenssachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … im Wege der Rechtshilfe sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle des Amtsgerichts Bad Neustadt a. d. Saale vom 15.05.2013 (Bl. 275 d. A.) und 08.04.2013 (Bl. 310 d. A.) sowie das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. … vom 23.11.2012 (Anlage zu Bl. 233 d, A.). Unter Zugrundelegung des damit feststehenden Sachverhalts war das angefochtene Urteil teilweise abzuändern (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Der der Klägerin dem Grunde nach zustehende Schadensersatzanspruch wegen des Verkehrsunfalls vom 22.09.2010 erstreckt sich auch auf die vom Gutachter … berücksichtigten fiktiven Kosten der Anmietung eines Richtwinkelsatzes in Höhe von 350,- € sowie auf den vom Gutachter in Ansatz gebrachten Aufschlag auf die unverbindliche Empfehlung der Ersatzteilpreise des Herstellers in Höhe von insgesamt 414,03 €. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht die Berücksichtigung fiktiver Mietkosten und UPE-Aufschläge bei der Berechnung der erstattungsfähigen Reparaturkosten nicht dem Bereicherungsverbot, denn das Vermögen des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ist um denjenigen Betrag gemindert, der aufgewendet werden muss, um die beschädigte Sache fachgerecht zu reparieren. Soweit die Beklagte meint, aus der durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz eingeführten Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB etwas anderes ableiten zu können, überzeugt dies nicht. Zu den erforderlichen Wiederherstellungskosten gehört nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch die Umsatzsteuer. Deshalb hat der Bundesgerichtshof vor dem Inkrafttreten des Zweiten Schadensrechtsänderungsgesetzes bei einer „fiktiven“ Schadensabrechnung die Mehrwertsteuer beim nicht vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten als echten Schadensposten anerkannt und ausgeführt, der steuertechnisch bedingte getrennte Ausweis der Mehrwertsteuer ändere nichts daran, dass sie als Objekt- bzw. leistungsbezogene allgemeine Abgabe auf den Verbrauch nicht weniger ein allgemeiner Kostenfaktor sei als andere öffentliche Abgaben, welche direkt oder indirekt in die Kosten und damit in den Preis einer Ware oder Leistung Eingang gefunden haben (vgl. BGH v. 16.06.1973, Az. VI ZR 46/72, Juris Rdnr. 10). Soweit der Gesetzgeber nunmehr in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Erstattung nicht angefallener Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung ausdrücklich vom Schadensersatzanspruch ausgenommen hat, hat er hiermit lediglich einen – systemwidrigen – Ausnahmetatbestand geschaffen, der nicht analogiefähig ist (BGH v. 19.02.2013, Az. VI ZR 69/12, Juris Rdnr. 6).

Die Kammer ist davon überzeugt, dass bei einer Reparatur des unfallbeschädigten Fahrzeugs durch eine markengebundene Fachwerkstatt in der Region des Sitzes der Klägerin sowohl Mietkosten für den Richtwinkelsatz als auch ein Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers von 10% anfallen würden. Die vom Amtsgericht Bad Neustadt a. d. Saale vernommenen Zeugen … und … haben für das Autohaus …, Bad Königshofen, bzw. das Autohaus… , Bad Neustadt, bestätigt, dass Richtwinkelsätze angemietet werden müssen und ein UPE-Aufschlag berechnet wird. Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass es sich bei den genannten Autohäusern um die einzigen VW-Betriebe in der Region des Sitzes der Klägerin handelt, ist dies unerheblich. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es Sache des Schädigers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine Reparatur in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen Fachwerkstatt technisch gleichwertig, aber günstiger ist (vgl. BGH v. 14.05.2013, Az. VI ZR 320/12, Juris Rdnr. 8). Der Schädiger muss also eine solche Fachwerkstatt konkret benennen, was die Beklagte hier nicht getan hat.

Schließlich umfasst der Ersatzanspruch der Klägerin auch den unfallbedingten merkantilen Minderwert, der allerdings abweichend vom Ansatz des Gutachters … nur mit 350,- € zu bemessen ist. Wie der gerichtlich beauftragte Sachverständige … in seinem Gutachten vom 23.11.2012, welches von den Parteien nicht angegriffen worden ist, ausgeführt hat, ist die Auffassung, eine Wertminderung trete nur bis zum Alter von 5 Jahren sowie einer Laufleistung von 100.000 km ein, nicht mehr zeitgemäß. Da moderne Fahrzeuge in der Regel Laufleistungen von deutlich über 200.000 km sowie ein durchschnittliches Alter von 20 Jahren erreichen, ist auch bei älteren Fahrzeugs bzw. Fahrzeugen gerechtfertigt, bei erheblichen Schäden einen merkantilen Minderwert anzunehmen. Zur Berechnung der Höhe der Wertminderung ist das sog. BVSK-Modell heranzuziehen. Danach bemisst sich der Minderwert nach dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt, der Marktgängigkeit des Fahrzeugs, ggf. vorangegangenen Unfallschäden sowie der Schadensart. Unter Berücksichtigung eines Wiederbeschaffungswertes von 16.500,- €, dem Vorhandensein diverser Altschäden, dem Erfordernis umfangreicher Richtarbeiten und einer normalen Marktgängigkeit dieses Fahrzeugstyps ergibt sich der vom Sachverständigen festgestellte Minderwert.

Neben der Hauptforderung kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten als Teil des entstandenen Schadens verlangen. Allerdings besteht der Anspruch nur in Höhe von 703,80 €, da die Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von 12.966,37 € zu berechnen sind. Die Nebenforderung ist ebenso wie die Hauptforderung gem. §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, sodass die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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7 Antworten zu LG Gießen verurteilt Allianz Vers-AG zur Zahlung der merkantilen Wertminderung auch bei älterem Fahrzeug und zur Zahlung der fiktiven Richtwinkelanmietpreise und UPE-Zuschläge mit Berufungsurteil vom 1.7.2013 – 1 S 231/12 -.

  1. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Sehr geehrtes Reaktionsteam,

    was die Preisvorstellung für ein unfallinstandgesetztes Fahrzeug angeht, verhalten sich die Teilnehmer am Gebrauchtwagenmarkt nicht nach irgendwelchen Berechnungsmodellen, die sie nicht kennen, denn damit wird über die Höhe eines Minderwerts v o r g e b e n d bestimmt und eine Pseudogenauigkeit suggeriert, die es nicht gibt. Der tatsächlichen Marktsituation ist e r k e n n e n d Rechnung zu tragen. Das ist zwar weitaus arbeitsintensiver, als sich zur Rechtfertigung bequem auf ein Berechnungsmodell zu beziehen, das regelmäßig mit den eigenen Erfahrungen nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. In Fällen, wo dies behauptet wird, ist es mit der Solidität der eigenen Erfahrungen meist dürftig bestellt. Kurzum: Einer fundierten und damit tragfähig begründeten Schätzung ist immer der Vorzug zu geben, wenn sich auf dieser Basis die Plausibilität und Schlüssigkeit feststellen läßt.

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum & Hamburg

    Dipl.-Ing. Harald Rasche

  2. Lothar J. sagt:

    Was ist denn wohl eine „normale“ Marktgängigkeit ? Und wie steht es zusätzlich mit einem Technischen Minderwert wegen umfangreicher Richtarbeiten ?

    Lothar J.

  3. H.U. sagt:

    Hallo, W.W.,
    wenn ich richtig rechne, ergeben 350,00 € gerade mal 2,12 % des angegebenen Fahrzeugwertes. Ob das, auf 50,00 € genau, marktrealistisch ist, wage ich zu bezweifeln, denn bei Barzahlung werden bekanntlich schon oft 3% Rabatt eingeräumt.
    Wenn ich 16.500,00 € für die Anschaffung eines unfallfreien Gebrauchtfahrzeuges verfügbar habe, werde zumindest ich mir nicht für 16.150,00 ein Unfallfahrzeug an den Hals hängen. Das ist lebensfremd. 600,00 € sollten es mindestens schon sein, zumal damit die Tausendergrenze überschritten wir, also von 16.500 € hin zu 15.900 €. Ein solcher Nachlaß kann schon deutlich eher zu einem Kaufentschluß führen und das sind dann gerade mal 3,63 % !!! Und wie steht es mit der oft deutlich unterschiedlichen Entschlußschwelle zwischen weiblichen und männlichen Kaufinteressenten ?

    Mit besten Grüßen
    H.U.

  4. Hirnbeiss sagt:

    BVSK Wertminderungsmodell !!
    Natürlich mit Rechenformel, was sonst.
    Ich habe mir schon gedacht, dass es solche Schwachverständige gibt, welche von einer merkantilen Wertminderung so wenig Ahnung haben, dass sie solch einen ausgemachten Unsinn berechnen u. damit auch noch die Gerichte täuschen.
    Dami die SV u. RA diesen Schwachsinn nachvollziehen können, wäre es angebracht mit der BVSK Methode zwei verschiedene Wertminderungen zu „berechnen“.
    1. Beispiel Fahrzeug Toyota xy , 3 Monate alt, 4200 Km Laufleistung, Neuwertiger Zustand, Wiederbeschaffunswert € 17.000.-brutto eine Seitenwand hi. links wurde erneuert.
    Dafür bemisst u.setzt der qualifizierte (nicht zu verwechseln mit dem Gerichts SV) mit Marktkenntnis mindestens 8% aus dem Neupreis (Hier 21.000.-)W= 1.680.- Bzw. gerundet 1.700.-an.
    2. Beispiel Merzedes 500 , 9 Jahre alt, 260.000 KM, Zustand technisch gut.Wiederbeschaffungswert 17.000.-Brutto. eine Seitenwand wurde erneuert. (Von mir würde es nur noch „Breite Nudeln als WM geben, aber dafür auch keine Abzüge für evtl Wertverbesserungen)
    Wenn ich nicht ganz falsch liege, so gibt es beim BVSK für beide Fahrzeug je € 750.-WM
    Was bei den einen zu wenig bemessen wird, gibt man bei den anderen unberechtigt dazu.
    Das hat allerdings den Vorteil, dass man nur von X-beliebigen Wiederbeschaffungswerten ausgehend, eine Schadensminderungsbefragung unter den BVSK Kollegen macht und Mittelwerte für alles heranzieht….
    Wieviel Wertminderung für 1 neuen Kotflügel bei Wiederbeschaffunswerten von -5000.-
    Wieviel Wertminderung für 1 Kotflügel bei Wiederbeschaffunswerten von 5000.–10.000.-
    usw. usw.
    Aber bitte nur von den Nettowiederbeschaffungswerten !!
    Man kann sicherlich darauf warten bis es eine erfundene E-Wert(Minderung) geben wird, welche vorbehaltlich regionaler Unterschiede, von mindestens 613 BVSK SV so berechnet wird und das seit 1994.
    Bei den falsch erstellten Honorarlisten hat das ja schön funktioniert.
    Beschprechungsergebnis 2013 zwischen dem BVSK u.allen auftragswilligen Versicherungen, Wertminderungstableau 2013. Ich sehe solche Listen schon vor mir.
    Und wie lange soll dieser Schwachsinn funktionieren.
    Man kann die enorm vielen Marktsituationen nicht in eine Rechenformel packen!!
    Wer das behauptet ist kein Kfz.-SV sondern nur ein Scharlatan u. Täuscher.
    Es wäre schön wenn so manches Gericht solche Kritik liest.
    Besonders schön wäre es, wenn sich jene SV welche angeblich qulifiziert sind, mit diesen Wertminderungstätern des BVSK auseinandersetzen würden. Selbständiges Denken ist aber hier Voraussetzung.

  5. Dipl.-Ing. Andreas Hoppe sagt:

    Dabei gibt es doch nichts Schöneres als im Rahmen eines Gerichtsgutachtens tatsächlich die Marktteilnehmer zu befragen, die Befragung auszuwerten und danach ein qualifiziertes Gutachten zu erstatten.

    Ich würde ein Wertminderungsgutachten, das nur eine Berechnung enthält von vorne nach hinten zerlegen.

    Wie die Vorschreiber bereits ausgeführt haben, ist eine Berechnung eines Wertes, der sich auf Grund eines (subjektiven) Käuferverhaltens ergibt, nicht möglich!

    Viele Grüße

    Andreas Hoppe

  6. Karle sagt:

    „Soweit der Gesetzgeber nunmehr in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Erstattung nicht angefallener Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung ausdrücklich vom Schadensersatzanspruch ausgenommen hat, hat er hiermit lediglich einen – systemwidrigen – Ausnahmetatbestand geschaffen, der nicht analogiefähig ist (BGH v. 19.02.2013, Az. VI ZR 69/12, Juris Rdnr. 6).“

    So auch VI ZR 402/12

    Der Gesetzgeber hatte am 01.08.2002 einen „systemwidrigen Ausnahmetatbestand“ geschaffen?
    Eigentlich eine Verniedlichung für die 1. Aushöhlung des Schadensersatzrechts – hier durch den Gesetzgeber, oder? Der BGH hat dann in Folge mit seiner Rechtssprechung zur fiktiven Abrechnung (VW & Co) schön weiter den Anspruch der Geschädigten abgegraben.

    In dieser Gesetzesänderung aus dem Jahr 2002 liegt für mich ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor = Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes beim Schadensersatz.
    Dieser milliardenschwere Raubzug zu Lasten der Geschädigten geht auf die Kappe der damaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Mit dieser Gesetzesänderung ist die der Versicherungslobby so was von auf den Leim gegangen. Von wegen mehr Schadensersatz für „schwache Verkehrsteilnehmer“ im Gegenzug für den Erlass der Mehrwertsteuer bei der fiktiven Abrechnung. Die Versicherer sparen seit dieser Gesetzesänderung – ohne wenn und aber – satte 19% beim Fiktivabrechner ein und prozessieren im Gegenzug nun nur noch mehr für die Verweigerung von Leistungen bei einem Personenschaden der „schwachen Verkehrsteilnehmer“. Gerade die „Schwachen“ werden doch heutzutage systematisch von den Versicherern fertig gemacht, wie man auch zunehmend überall in der Presse verfolgen kann? So viel zum ministerialen Wunschtraum zur Verbesserung der Situation „schwacher Unfallopfer“, der inzwischen zum Albtraum für die Geschädigten geworden ist, Frau Ministerin a.D..

    Kritiker dieser Gesetzesänderung hatten all dies bereits bei der Gesetzeslegung prophezeit. Hatte damals aber keinen interessiert.


    http://www.ra-kotz.de/schadensersatz.htm


    http://www.eisenbeis-rechtsanwaelte.de/texte/service/pdfs/2.schadenersatzrecht_0702.pdf

  7. H.U. sagt:

    Hallo, Hirnbeiss,
    Deine scharfe und berechtigte Kritik wird bei den Mitgliedern des BVSK ganz sicher nicht auf fruchtbaren Boden fallen, weil ein solcher nicht existiert. Man wird das Berechnungsmodell weiter so praktizieren, bis zu dem Nimmerleinstag , an dem ein Unfallopfer oder sein Anwalt sich massiv zur Wehr setzen. Sorgfältig arbeitenden Rechtsanwälten kann man insoweit nur die Empfehlung angedeihen lassen , im Mandanteninteresse JEDES Gutachten eines BVSK-Sachverständigen in der Minderwertfrage kritisch zu hinterfragen bzw. überprüfen zu lassen. Bei einer Minderheit der BVSK-Mitglieder wird man erfreulicherweise feststellen, dass die Minderwerte realitätsnah und kompetent geschätzt wurden, aber eben nur bei einer Minderheit.
    H.U.

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