AG München weist Klage des Versicherungnehmers gegen seine Versicherung auf Erstattung restlicher Reparaturkosten bei einem Vollkaskoschaden mit Werkstattbindung ab (122 C 6798/14 vom 26.09.2014)

Mit Entscheidung vom 26.09.2014  (122 C 6798/14) hat das Amtsgericht München die Klage eines Versicherungsnehmers abgewiesen, der auf Erstattung des Abzuges der Versicherung in Höhe von 15% der Reparaturkosten aufgrund eines Werkstattbindungstarifes geklagt hatte.

Nach Ansicht des „Allianz-Gerichts“ muss der Versicherungnehmer sein Fahrzeug (wohl auf Teufel komm raus?) in der Partnerwerkstatt der Versicherung reparieren lassen. Auch wenn die Reparatur in einer anderen Werkstatt (seines Vertrauens) zum gleichen Preis möglich ist. Ansonsten wird der Kunde mit Abzug gemäß AKB bestraft. Bei diesem Fall kann man u.a. gut erkennen, wie die Versicherer ihre Partnerwerkstätten unterstützen müssen, damit das „Geschäftsmodell“ überhaupt funktioniert. Offensichtlich sitzt denen die Auslastungsproblematik im Nacken? Im Schadensfall zeigt die Versicherung dann ihr wahres Gesicht gegenüber dem Kunden und erntet darüber hinaus noch betriebswirtschaftliches Verständnis durch das Gericht. Meiner Meinung nach gehört das „Partnerwerkstattsystem“ zur Kategorie „Unfallhelferring“ mit Wettbewerbsverzerrung und ist somit rechts- und wettbewerbswidrig. Der „Beifall“ des Gerichts ist demzufolge nicht angebracht.

Sofern der Kunde einen Vertrag mit Werkstattbindung abschließt, ist er offensichtlich verraten und verkauft? Von der Werkstattqualität, auf die er sich damit einlässt, erst gar nicht zu reden.

Ob der Versicherunsgnehmer in dem zitierten Beratungsprotokoll tatsächlich umfassend über die Vor- und Nachteile eines Kaskovertrages mit Werkstattbindung informiert wurde, wage ich zu bezweifeln. In 99% der mir bekannten Fälle geschieht dies nämlich nicht. Denn die meisten würden, nach transparenter Abwägung der Vor- und Nachteile, so einen „Looser Vertrag“ erst gar nicht abschließen. Ohne weitere Informationen zum genauen Inhalt des Beratungsprotokolls bleibt also offen, ob die entsprechenden Kaskobedingungen mit der gegenständlichen Werkstattbindung überhaupt rechtswirksam geworden sind.

Für eine „Einsparung“ von vielleicht 50 oder 100 Euro Prämie/Jahr gehen bei diesem Schadensfall nahezu 1.000 Euro zu Lasten des Versicherungnehmers. Besser kann man die Nachteile von Kasko Select – oder wie auch immer die Versicherer solche Verträge schön reden wollen – nicht darstellen. Schlechte Geschäfte wie diese bezeichnet man landläufig als „Milchmädchenrechnung“. Das „Schnäppchen“ hat hierbei eindeutig die Versicherung gemacht.

Deshalb: Finger weg von Kaskoverträgen mit Werkstattbindung!

Welcher Unternehmer mit einem Rest an Anstand und Weitblick würde seine eigenen Kunden in die Pfanne hauen, wie hier geschehen?

Bei den Versicherern passt der Bertold Brecht wie die Faust aufs Auge:

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“

Hier  nun das Urteil:

Amtsgericht München

Az.: 122 C 6798/14

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

Beklagte

Endurteil

1          Die Klage wird abgewiesen.

2.         Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.         Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4.         Der Streitwert wird auf 996,63 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um ausstehende Versicherungsleistungen in Höhe von 996,63 €. Der Kläger unterhält bei der Beklagten für das Fahrzeug … eine Fahrzeugvollversicherung in der u.a. auch Hagelschäden versichert sind mit einer Selbstbeteiligung von 150 €. Das Fahrzeug erlitt am 20.06.2013 einen Hagelschaden. Ausweislich der am 26.06.2013 durchgeführten Begutachtung wurde im Gutachten die schadensbedingten Reparaturkosten auf 5.938,70 € brutto kalkuliert. Der Kläger lies das Fahrzeug in der Folge in einer von ihm gewählten Werkstatt reparieren. Die Reparaturrechnung die der Kläger bei der Beklagten 6.644,16 €. Unter Hinweis auf die AKB (Werkstattbidnung) wurde der Betrag um 15 % gekürzt und die Beklagte erstattete dem Kläger 5.497,53 €.

Der Kläger macht geltend, die AKB seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, zudem habe die von der Beklagten genannte Vertragswerkstatt keine erreichbaren Termine freigehabt. Weiter trägt der Kläger vor, die von ihm beauftragte Werkstatt habe dieselben Stunde;nsätze verwendet, wie die seitens der Beklagten angebotene Werkstatt, weshalb der Kläger davon habe ausgehen können, sein Fahrzeug auch dort instand setzen lassen zu können.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 996,63 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.09.2014, hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Parteien haben sich mit eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren  996,63 € aus dem Fahrzeugvollversicherungsvertrag zu.

1. Ein Anspruch auf Erstattung weiterer Reparaturkosten ist nicht gegeben.

a.  Ein Anspruch auf 100%ige Erstattung besteht nicht. Wie das Gericht die Klagepartei im Beschluss vom 07.07.2014 hingewiesen hat, hat diese einen Kaskoversicherungsvertrag mit einer 100%igen Erstattungsquote und ohne Werkstattbindung zu beweisen. Aufgrund des qualifizierten Bestreitens der Beklagten (Vorlage Beratungsprotokoll, Nachtrag zur Kraftfahrtversicherung (Anlage BLD 2) dort Ziffer 2 „mit Werkstattbindung“), reicht der schlichte gegenteilige Vortrag hierzu nicht aus. Aus A.2.19 AKB ist klar ersichtlich, dass für den Fall, dass eine frei ausgewählte Werkstatt beauftragt wird, nur 85 % vom Versicherer erstattet werden. Die Werkstattklausel hält zudem auch einer AGB-Kontrolle stand. Zudem ist der Vortrag der Klagepartei auch widersprüchlich. So wird im Schriftsatz vom 23.06.2014 unter Ziffer I. ausgeführt, die Ausführungen hinsichtlich des Vertrages der Gegenseite im Schriftsatz vom 15.05.2014 sind zutreffend, lediglich die Schlussfolgerungen seien unzutreffen. In nämlichen Schriftsatz hatte die Beklagte ausführlich dargelegt, wann und wie der Vertragsschluss erfolgte und dass die AKB Vertragsbestandteil wurden. Nicht nachvollziehbar ist auch, wenn der Kläger – wie behauptet – von der Werkstattbindung nichts wusste, er in der Klageschrift vortragen lässt, dass seine Lebensgefährtin zunächst versucht hatte, einen Reparaturtermin in einer von der Beklagten genannten Vertragswerkstätte zu bekommen.

b.  Auch überzeugt der Einwand, ein Reparaturttermin sei in einer der genannten Vertragswerkstätte nicht zu erhalten gewesen, vielmehr sei auf die unzumutbare Wartezeit von einem Monat verwiesen worden, nicht. Vorliegend handelt es sich „lediglich“ um einen Hagelschaden. Die Fahrtauglichkeit des Fahrzeuges war indes nicht beeinträchtigt. Allesamt in der Reparaturrechnung aufgelistete Positionen beziehen sich auf optische Reparaturen. Damit ist eine Wartezeit von einem Monat, die im übrigen von der Beklagtenpartei bestritten wurde, nicht unzumutbar. Im übrigen hätte die Beklagte vorher aufgefordert werden müssen, ob diese nicht auch eine andere Werkstätte nennen kann, bevor eine frei gewählte Werkstatt aufgesucht wird. An einer Verzugsbegründung fehlt es.

c.  Was schließlich den Einwand angeht, die vom Kläger ausgewählte Werkstatt habe mit die gleichen Stundensätze wie die von der Beklagten genannte Vertragswerkstatt gearbeitet, weswegen er auch bei einer von ihm gewählten Werkstatt habe reparieren lassen dürfen, so greift dieser ebenfalls nicht. Die Werkstattbindung besagt, dass Fahrzeuge bei einem Kaskoschaden in einer Partnerwerkstatt der Versicherung repariert werden müssen. Die Abwicklung erfolgt direkt zwischen Versicherung und Werkstatt. Die Kostenvorteile durch Großkundenrabatte und andere Effekte werden in Form einer niedrigeren Prämie an den Versicherten weitergegeben. Dieser Beitragsnachlass, von dem der Versicherte profitiert funktioniert aber eben auch nur, wenn die Werktragswerkstätten tatsächlich in Anspruch genommen werden. Dies bildete auch die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Zudem lagen die vorgelegte Reparaturrechnung auch deutlich über die vom Sachverständigen berechneten Kosten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.

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4 Antworten zu AG München weist Klage des Versicherungnehmers gegen seine Versicherung auf Erstattung restlicher Reparaturkosten bei einem Vollkaskoschaden mit Werkstattbindung ab (122 C 6798/14 vom 26.09.2014)

  1. virus sagt:

    „Die Kostenvorteile durch Großkundenrabatte und andere Effekte werden in Form einer niedrigeren Prämie an den Versicherten weitergegeben..“

    Bei der Allianz? Witz, komm raus, du bist umstellt!!!!!

  2. Scouty sagt:

    @ Hans Dampf

    „Sofern der Kunde einen Vertrag mit Werkstattbindung abschließt, ist er offensichtlich verraten und verkauft? Von der Werkstattqualität, auf die er sich damit einlässt, erst gar nicht zu reden.“

    Und wie sollte dazu die Headline formuliert werden?
    VORSICHT VOR VERSICHERUNGSVERTRÄGEN MIT WERKSTATTBINDUNG !!
    Wer prüft unabhängig deren Reparaturqualität und klärt die Frage, ob die Verkehrssicherheit wieder vollständig hergestellt werden konnte. Das kostet Geld, Geld des Kunden, weil seine Versicherung dafür nicht eintreten will. Dann lieber einen Versicherungsvertrag ohne Werkstattbindung abschließen, der sich manchmal am Ende noch als preiswerter erweist. Da ist auch kein Schadenmanagement zum Vorteil der Versicherungen mit verbunden und verhindert rollende Zeitbomben auf unseren Straßen.

    Scouty

  3. Hilgerdan sagt:

    @

    Vertrag ist Vertrag,
    auch wenn „Geiz ist Geil“ Leute nicht einsehen wollen, dass Werkstattbindungsverträge ein übles Beiwerk sind, müssen die Verträge eingehalten werden. Wir erwarten das von den Versicherungen auch.
    Das Urteil des AG München kann nicht anders lauten.
    Der Rechtsverdreher, der so einen Nonsens versucht hat durchzusetzen, verdient meine Geringschätzung.

  4. Rudi sagt:

    @Hilgerdan

    Oberflächlich betrachtet kann man das zwar so sehen.

    Andererseits wissen die wenigsten VNs, dass sie einen Werkstattbindungsvertrag abgeschlossen haben, da sie beim Abschluss nicht entsprechend darüber aufgeklärt wurden. Stichwort: Beratungsprotokoll. Damit kann man die meisten Werkstattbindungsverträge kippen. Kein Beratungsprotokoll zur Werkstattbindung = keine Pflicht zur Werkstattbindung und demzufolge auch keine Abzüge bei den Reparaturkosten. Diese Option wird leider viel zu wenig genutzt.

    Die Versicherer wissen sehr genau, dass 80-90 % keinen Vertrag mit Werkstattbindung unterschreiben, sofern man den VN ordnungsgemäß über die Folgen im Schadensfall aufklärt. Deshalb gibt es zu dieser Position meist keine Beratungsprotokolle.

    Die Streitsache beim AG München hätte man aber auch anders entscheiden können.

    Sofern der Versicherung kein Schaden entsteht, gibt es auch nichts zu kürzen. Die geringere Auslastung der Partnerwerkstatt geht ja letztendich zu Lasten der Werkstatt und nicht zu Lasten der Versicherung. Die Werkstatt war aber nicht in die Sache involviert. Ich glaube kaum, dass die Versicherung die 15% als Ausgleich für entgangenen Gewinn an die Partnerwerkstatt weitergeleitet hat? Einnahmen wie diese benötigt man in der Regel für Reisen nach Budapest oder so.

    An alle, die nach entsprechender Aufklärung trotzdem einen Werkstattbindungtarif abschließen, um ein paar Euro zu sparen:

    Wie blöd muss man eigentlich sein?

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