LG Stendal ändert Urteil des AG Gardelegen ab und verurteilt die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten mit Berufungsurteil vom 7.7.2016 – 22 S 137/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

es geht weiter in Stendal (Sachsen-Anhalt). Nachfolgend stellen wir Euch ein Berufungsurteil des LG Stendal zu den gekürzten Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. vor. Die Einzelrichterin der Berufungskammer des LG Stendal hat der willkürlichen Kürzung der Sachverständigenkosten durch das vorinstanzliche AG Gardelegen eine deutliche Absage erteilt. Fehlerhaft ist jedoch unseres Erachtens die Bezugnahme auf die BGH-Urteile VI ZR 357/13 sowie VI ZR 50/15. Geklagt hatte die Geschädigte, so dass insoweit das BGH-Urteil VI ZR 225/13 hätte herangezogen werden müssen. Es fragt sich jedoch, ob insoweit eventuell ein falscher Vortrag seitens der Klägerin vorlag? Ansonsten halten wir das Berufungsurteil für eine erfreuliche Entscheidung, die die HUK-COBURG klar in ihre Schranken weist. Lest aber selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Geschäfts-Nr.: 22 S 137/15                                                             verkündet am: 7. Juli 2016
(Amtsgericht Gardelegen 31 C 354/15)

Landgericht Stendal

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

-Klägerin und Berufungsklägerin-

gegen

HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G. in Coburg, vertreten durch den Vorstand Dr. W. Weiler, Schleinufer 16, 39082 Magdeburg

-Beklagte und Berufungsbeklagte-

hat die Zivilkammer 2 des Landgerichts Stendal durch

die Richterin am Landgericht S.-K.
als Einzelrichterin

auf die mündliche Verhandlung vom …

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Gardelegen vom 05. Oktober 2015 – 31 C 354/15 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 174,22 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 05. September 2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung unzweifelhaft nicht gegeben ist.

II.

A/ Die Berufung der … ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf weitere Sachverständigenkosten in Höhe von 174,22 Euro.

Die Haftung der Beklagten zu 100% aus dem Verkehrsunfall vom 20. August 2012 ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Höhe des zu erstattenden Schadens richtet sich nach §§ 249 ff BGB.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet (vgl. BGHZ 61, 56 (58); 346 (347 f.); 63, 182 (184); BGH NJW 2007, 1450 (1451f); BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.)). Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH VersR 2005, 558 (559); BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.)). Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (vgl. BGH VersR 2013, 1590(1591 f.)).

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. BGHZ 115, 364 (368 f.); 132, 373 (376 f.); 155, 1 (4 f.); 162, 161 (164 f.); 163, 362 (365); BGH NJW 2007, 1450 (1451 f.); BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.); BGH Urt. v. 26. April 2016, VI ZR 50/15). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGHZ 163, 362 (367 f.); BGH NJW 2007, 1450 (1451 f.); BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.)).

Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH NJW 2014, 3151 (31521); BGH Urt. v. 26. April 2016, VI ZR 50/15).

Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch (vgl. BGHZ 61, 346 (348); BGH NJW 2007, 1490 (1491 f.); BGH NZV 2014, 255; BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.)). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter dann allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BGH VersR 1988, 466 (467); BGH VersR 1993, 969 (970); BGH VersR 2012, 917; BGH NJW 2014, 3151 (3152 f.); BGH Urt. v. 26. April 2016, VI ZR 50/15 ; LG Stendal, Urteil vom 08.05.2013 – 22 S 122/12; LG Stendal, Urteil vom 13. März 2014 – 22 S 81/13)).

Gemessen an diesen Grundsätzen erscheint die insofern durch das Amtsgericht vorgenommene Kürzung des Grundhonorars um 20 % vorliegend nicht gerechtfertigt.

Ein Verstoß der Klägerin als Geschädigte gegen ihre Schadensminderungspflicht vor dem Hintergrund eines evidenten wirtschaftlichen Totalschadens und einer insofern nicht gebotenen Reparaturkostenkalkulation hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Sachverständige mehr als das für die notwendige Schadensermittlung erforderliche Honorar in Rechnung gestellt hat.

Die Klägerin behauptet, dass die Berechnung des Grundhonorars sich nicht an der Höhe der Reparaturkosten, sondern an dem Wiederbeschaffungswert ausgerichtet habe. Danach hat sich ein höherer Aufwand für die Berechnung der Reparaturkosten nicht in dem Sachverständigenhonorar niedergeschlagen. Die Beklagte hat diesen Vortrag nicht substantiiert bestritten.

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

B/ Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

S.-K.

Geschäfts-Nr.: 22 S 137/15                                                              verkündet am: 7. Juli 2016
(Amtsgericht Gardelegen 31 C 354/15)

Landgericht Stendal

Beschluss

In dem Rechtsstreit

-Klägerin und Berufungsklägerin-

gegen

HUK-COBURG Haftpfiicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G. in Coburg, vertreten durch den Vorstand Dr. W. Weiler, Schieinufer 16, 39082 Magdeburg

-Beklagte und Berufungsbeklagte-

hat die Zivilkammer 2 des Landgerichts Stendal durch

die Richterin am Landgericht S.-K.
als Einzelrichterin

b e s c h l o s s e n :

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 174,22 Euro festgesetzt.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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