Die ganze Palette. Das LG Stuttgart – 10. Zivilkammer – AZ: 10 O 134/11 vom 09.12.2011, urteilt zu Reparaturkosten über 130 %, zu den Mietwagenkosten, über den Nutzungsausfall, zum SV-Honorar und zu den Anwaltskosten

Im zu entscheidenden Fall gegen die Generali-Versicherung ging es darum, dass sich der Reparaturaufwand nach Beginn der Reparatur umfassender darstellte, als zunächst ersichtlich war. Die Richterin stellte klar, dass dennoch die Klägerin nicht verpflichtet war, von der bereits begonnenen Reparatur Abstand zu nehmen und den Reparatur-Auftrag zu kündigen. Ebenso sind die Kosten der Nachbesichtigung durch den Sachverständigen sowie die 1,5-Gebühr an den Anwalt der Geschädigten vom Schädiger zu erstatten.

 Landgericht Stuttgart – 10. Zivilkammer, AZ: 10 O 134/11 vom 09.12.2011

Den Rechtsstreit führte die Geschädigte mit Hilfe der Kanzlei Dory u. Koll., Christophstr. 1, 73033 Göppingen, worauf die 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 08. November 2011 durch Richterin am Landgericht Blattner als Einzelrichter für  Recht  erkannte:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 11.781 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2011 zu bezahlen, und die Beklagte Ziff. 2 darüber hinaus, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Über dem Basiszins aus 11.781 € vom 07.04.2011 bis zum 19.07.2011 und aus 11.781 € am 20.07.2011 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, zu Gunsten der Klägerin an ………… auf deren Konto ….   einen Betrag in Höhe von 10.522,38 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.07.2011 zu bezahlen, und die Beklagte Ziff. 2 darüber hinaus, zugunsten der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 20.522,38 € für den Zeitraum vom 07.04.2011 bis 20.04.2011 an die Fa. (Autohaus)  zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, zugunsten der Klägerin an die …….. auf deren Konto bei dem  ………. einen Betrag von 625,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.07.2011 zu bezahlen, und die Beklagte Ziff. 2 darüber hinaus, zugunsten der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 625,81 € vom 07.04.2011 bis zum 20.07.2011 an  ……….. .zu bezahlen.

4. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren ihres jetzigen Prozeßbevollmächtigten in Höhe von 798,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 21.07.2011 freizustellen, und die Beklagte Ziff. 2 darüber hinaus, die Klägerin von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 07.04.2011 bis 20.07.2011 aus 798,35 € freizustellen.

5.  Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

8. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

7. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert; bis 25,000 €

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom ….02.2011 in Esslingen-Sirnau.
Der Beklagte Ziff. 1 fuhr mit seinem Fahrzeug Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen …….. die Kreuzung am Hornbach-Baumarkt ein, obwohl die Ampelanlage für seine Fahrtrichtung rot zeigte, und kollidierte mit dem Fahrzeug der Klägerin Audi A 4 Avant 2,7 quattro mit dem amtlichen Kennzeichen …… Für das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 besteht bei der Beklagten Ziff. 2 eine Haftpflichtversicherung.

In dem von der Klägerin eingeholten Gutachten  der ……… wurde der Gesamtreparaturkostenaufwand mit 25.350,48 € kalkuliert, während der Wiederbeschaffungswert mit 19.900 € angegeben wurde. Nach Vorlage des Gutachtens erklärte die Klägerin die Reparaturfreigabe, im Zuge der Zerlegung des Fahrzeugs wurde festgestellt, daß an den Längsträgern vorn links und rechts Beschädigungen vorlagen, die deren Erneuerung erforderlich machten. Weiter konnte für eine beschädigte Felge entgegen der ursprünglichen Annahme kein Ersatz beschafft werden, so daß alle vier Felgen zu erneuern waren. Der von der Klägerin hinzugezogene Gutachter besichtigte das Fahrzeug am 23.02.2011 erneut und bezifferte die Reparaturkosten unter Berücksichtigung dieser weiteren Punkte in seiner Stellungnahme vom 24.02.2011 auf 28.769,51 €.
Unter dem 23.03.2011 stellte die  ……….. der Klägerin für die Reparatur 29.807,38 € in Rechnung.

Mit Schreiben vom 30.03.2011 forderte die Klägerin die Beklagte Ziff. 2 zur Zahlung von 35.897,46 € sowie zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.648,15 € auf.
Am 09.06.2011 kündigte die Beklagte Ziff. 2 die Zahlung von 13.231,07 € an, wovon 8.175 € auf den Wiederbeschaffungsaufwand, 363,70 € auf die Abschleppkosten, 26 € auf die Auslagenpauschale, 1.560 € auf die Nutzungsentschädigung, 2.254,57 € auf die Sachverständigengebühren und 851,80 € auf die Rechtsanwaltskosten entfallen sollten.

Die Klägerin behauptet, sie habe die Reparatur vornehmen lassen können, weil sich die veranschlagten Kosten im Rahmen der 130 %~Grenze bewegten. Ihr Gutachter habe zutreffender Weise bei der Ermittlung des Restwerts den regionalen seriösen Markt herangezogen. Die von der Beklagten Ziff. 2 vorgelegte bloße Internetrecherche sei nicht zu beachten, weil schon die Fahrzeugauswahl fehlerhaft sei.
Das Risiko einer fehlerhaften Bewertung der eingetretenen Schäden hätten die Beklagten zu tragen. Sie habe auch nicht von der weiteren Instandsetzung Abstand nehmen müssen, weil die Reparaturarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten und die Ersatzteile bereits bestellt gewesen seien.

Die Beklagten hätten über den bereits erstatteten Nutzungsausfall für 24 Tage für 12 weitere Tage Nutzungsausfall in Höhe von 780 € zu zahlen und zudem die Mietwagenkosten für den Zeitraum vom 25.02.2011 bis 18.03,2011 mit 476 € zu erstatten.
Ferner seien die für die Nachbesichtigung durch ihren Gutachter am 23,02.2011 entstandenen Kosten von 625,81 € von den Beklagten zu zahlen. Es sei erforderlich gewesen, Feststellungen treffen zu lassen, ob eine Erweiterung der Reparatur notwendig sei. Überdies sei mit der Zahlung von 26 € die geltend gemachte Auslagenpauschale von 30 € noch nicht ausgeglichen.
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten beliefen sich auf insgesamt 1.648,15 €, weil der Bevollmächtigte im Hinblick auf die mit den ………  zu treffenden Regelungen zur Herausgabe des Fahrzeugs vor vollständiger Bezahlung der Kosten eine Gebühr von 1,5 habe ansetzen dürfen.

Die Klägerin beantragt:

1.    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 12.370 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 2.370 € seit dem 07.04.2011 und aus weiteren 10.000 € seit dem 20,07.2011 zu bezahlen.

2.    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, zugunsten der Klägerin an ………. einen Betrag in Höhe von 10.522,33 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 20.522,38 € für den Zeitraum vom 07.04.2011 bis 20.04.2011 sowie aus 10.522,38 € seit dem 21.07.2011 zu bezahlen.

3.   Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, zugunsten der Klägerin einen Betrag in Höhe von 625,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seitdem 07.04.2011 zu bezahlen.

4.   Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 796,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %~Punkten über dem Basiszins seit dem 07.04.2011 freizustellen.

Die Beklagten

beantragen die Abweisung der Klage.

Die Beklagten behaupten, der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs der Klägerin habe bei lediglich 11.175 € gelegen. Aber selbst wenn man den vom Gutachter der Klägerin ermittelten Wiederbeschaffungswert zu Grunde legte, so sei die Reparaturwürdigkeit äußerst zweifelhaft gewesen. Nach der Nachbesichtigung am 23.02.2011 sei für die Klägerin klar gewesen, daß die Grenze der Reparaturwürdigkeit bei weitem überschritten war, so daß sie von der Reparatur habe Abstand nehmen müssen.
Der Nutzungsausfall sei nur mit 24 Tagen zu bemessen und daher ausgeglichen. Zudem könne die Klägerin nicht für denselben Zeitraum Nutzungsausfall und Mietwagenkosten (25.02.11 -05.03.11) geltend machen.

Die Gutachterkosten von 2.254,57 € deckten auch die Nachbesichtigung vom 23.02.2011 ab, weil eine solche im Grundhonorar bereits enthalten sei. Aus der zweiten Rechnung vorn 24,02.2011 seien Grund und Höhe des Grundhonorars sowie die Fahrtkosten in Zweifel zu ziehen.
Es sei nur eine Mittelgebühr von 1,3 bei den vorgerichtlichen Kosten anzusetzen, weil der Haftungsgrund unstreitig sei und es sich um einfache Rechtsfragen handele.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten Ziff. 1 ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach §18 StVG zu. Unstreitig hat der Beklagte Ziff. 1 beim Betrieb des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen …… das Fahrzeug der Klägerin beschädigt, wobei ihn wegen des Rotlichtverstoßes unstreitig die alleinige Haftung trifft.

Zu dem von dem Beklagten Ziff. 1 nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden zählen die der Klägerin entstandenen Reparaturkosten, soweit sie nicht bereits durch die Zahlung der Beklagten Ziff. 2 ausgeglichen wurden. Der Klägerin sind ausweislich der als Anlage K 3 vorgelegten Rechnung ……. in  Höhe von 29.807,38 € entstanden. Diese übersteigen zwar den vom Gutachter der Klägerin ermittelten Wiederbeschaffungswert von 19.900 € um mehr als 30 %, so daß sich die Instandsetzung als wirtschaftlich unvernünftig erwiesen hat.

Gleichwohl kann die Klägerin die Reparaturkosten verlangen und muß sich nicht auf eine Abrechnung auf Totalschadensbasis verweisen lassen, weil sie auf der Grundlage des Gutachtens vom 22.02.2011 davon ausgehen durfte, daß sich die Reparaturkosten im Rahmen des Toleranzbereichs bis 130 % bewegen. Dieser Toleranzbereich wird dem Geschädigten zugebilligt, weil regelmäßig nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs sein Integritätsinteresse befriedigt (vgl. BGH MDR 2006, 561). Bei dem mit 19.900 € angegebenen Wiederbeschaffungswert, wobei der Restwert des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen ist (vgl. BGH MDR 1992, 131), ergibt sich ein Toleranzbereich bis zu Reparaturkosten von 25.870 €. Die ursprünglich veranschlagten Reparaturkosten lagen mit 25.350,46 € darunter.

Soweit der Beklagte Ziff. 1 einwendet, daß der Wiederbeschaffungswert nur bei 11.175 € gelegen habe, folgt daraus hier kein anderer Abrechnungsmodus, weil eine etwaige falsche Beurteilung durch den Gutachter nur dann beachtlich wäre, wenn diese offensichtlich wäre oder die Klägerin hinsichtlich der Auswahl des Gutachters ein Verschulden träfe. Keine der beiden Varianten ist hier ersichtlich, so daß die Kosten für Herstellungsmaßnahmen, die die Klägerin für zweckmäßig und geeignet halten durfte, zu ersetzen sind. Das Prognoserisiko trägt der Schädiger auch insoweit, als der wirtschaftliche Erfolg solcher Maßnahmen in Frage steht (vgl. Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 26. Aufl., S. 64).
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß sich aufgrund der Nachbesichtigung vom 23.02.2011 herausstellte, daß der Kostenaufwand im Hinblick auf weitere, zu ersetzende Teile höher sein wird als zunächst kalkuliert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin sich bereits für die Reparatur entschieden und den Auftrag erteilt, denn ohne einen solchen hätte die …….. keinen Anlaß gehabt, das Fahrzeug zu zerlegen.
Aufgrund der neuen Erkenntnisse war die Klägerin auch nicht verpflichtet, von der Reparatur Abstand zu nehmen und den Auftrag zu kündigen. Zwar ist es denkbar, daß der Kostenaufwand für die Ersatzbeschaffung und der nach § 649 BGB zu zahlende Betrag in der Summe geringer gewesen wären als die nun angefallenen Reparaturkosten, doch wäre dieser Weg für die Klägerin mit Risiken verbunden gewesen. Trotz der in § 649 BGB enthaltenen Vermutung hinsichtlich des Umfangs der auf den nicht erbrachten Teil der Leistung entfallenden Vergütung, hätte sich Streit ergeben können, in welchem Umfang Leistungen bereits erbracht waren und ob nicht für die nicht erbrachten Leistungen eine höhere Vergütung als die, die sich nach der Vermutung errechnete, anzusetzen wäre. Im Hinblick auf § 647 BGB wäre die Klägerin bei Streit in diesem Punkte bei Nichtzahlung der Vergütung Gefahr gelaufen, den Besitz ihres Fahrzeugs nicht zu erhalten. Auf dieses Risiko muß sich die Klägerin als Geschädigte aber nicht einlassen. Vielmehr ist auch dies dem Risiko des Schädigers zuzuordnen (vgl. Knerr a.a.O, S. 64 Rz. 15).
Von den Reparaturkosten in Höhe von 29.807,38 € sind 8.175 € bereits von der Beklagten Ziff. 2 bezahlt worden, so daß noch 21,632,38 € verbleiben.

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf weiteren Ersatz für Nutzungsausfall in Höhe von 195 € und von Mietwagenkosten in Höhe von 476 €. Das geschädigte Fahrzeug stand der Klägerin vom 16.02.2011 bis zum 23.03.2011, als die Reparatur abgeschlossen wurde, nicht zur Verfügung. Dabei hat die Klägerin die Entscheidung zur Reparatur noch vor der Nachbesichtigung am 23.02.2011 getroffen, so daß nach der Vorlage des Gutachtens am 22.02.2011 keine Verzögerung eingetreten ist. Soweit die Reparatur etwas länger als die zunächst veranschlagten 15 Arbeitstage in Anspruch genommen hat, hat die Klägerin diese Verzögerung nicht zu vertreten, so daß diese sich nicht anspruchsmindernd auswirkt. Von den 38 Tagen wurde der Nutzungsausfall an 9 Tagen durch ein Ersatzfahrzeug kompensiert, für das unstreitig Kosten von 476 € angefallen sind. Somit verbleiben noch 27 Tage, die unstreitig mit 65 € am Tag zu bewerten sind, so daß sich 1.755 € ergeben. Hiervon sind die von der Beklagten Ziff. 2 gezahlten 1.560 € in Abzug zu bringen so daß 195 € verbleiben sowie die Mietwagenkosten von 476 €. Addiert man dazu die restlichen Reparaturkosten von 21 632 38 € ergeben sich 22 303 38 € von denen 10 522 38 € zur Tilgung der Verbindlichkeit gegenüber der Fa ….. dienen sollen, so daß an die Klägerin direkt noch 11 781 € zu zahlen sind

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Erstattung der Kosten des Gutachters für die Nachbesichtigung in Höhe von 625,81 €. Auch diese Tätigkeit des Gutachters war durch das Schadensereignis veranlaßt, denn ohne weitere Feststellungen zum Schadensumfang wäre der Nachweis des weitergehenden Schadens nur schwer zu führen gewesen. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung sind die Einwände des Beklagten Ziff. 1 im Verhältnis zur Klägerin nicht zu beachten, denn solange für sie nicht erkennbar ist, daß der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen oder ihr ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann sie den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029). Im Hinblick darauf, daß der Gutachter einen weiteren Termin wahrnehmen mußte und die Rechnung in verschiedene Positionen untergliedert ist, ist weder eine willkürliche Festsetzung des Honorars, noch ein auffälliges Mißverhältnis ersichtlich. Da die Klägerin noch mit der Verbindlichkeit gegenüber dem Gutachter belastet ist, kann sie vom Beklagten Ziff. 1 die Zahlung zur ihren Gunsten an den Gutachter verlangen.

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Kosten, die ebenfalls auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Diese sind aus einem Streitwert bis 40.000 € zu ermitteln. Zwar mag eine Mittelgebühr von 1,3 näher liegen als die vom Bevollmächtigten der Klägerin angesetzte 1,5-Gebühr, doch steht dem Rechtsanwalt insoweit ein Ermessen zu. Die getroffene Bestimmung ist nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei dem Rechtsanwalt ein Spielraum von 20 % zusteht (vgl. BGH MDR 2007, 491). Dieser Spielraum ist hier nicht überschritten, so daß die angesetzte 1,5-Gebühr zu Grunde zu legen ist. Es ergeben sich daher 1.353 € zzgl. Auslagenpauschale von 20 € und Aktenbeschaffungspauschale von 12 €, also 1.385 € zzgl. Mehrwertsteuer in Höhe von  263,15 € . Von der Summe in Höhe von 1.648,15 € für die Zahlung der Beklagten Ziff. 2 in Höhe von 851 80 € in Abzug zu bringen, so daß 796,35 € verbleiben.
Der Klägerin steht hingegen kein Anspruch auf eine Auslagenpauschale in Höhe weiterer 4 € zu. Ohne weitere Belege ist über die bereits bezahlten 26 € kein weiterer Ersatz geschuldet. Nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG sind dort nur 20 € als Pauschale vorgesehen. Es gibt daher keinen Anlaß, einem Geschädigten ohne Belege mehr zuzubilligen.

Der Klägerin steht nach § 115 Abs. 1 WG ein Anspruch im Umfang des Anspruchs gegen den Beklagten Ziff. 1 auch gegen die Beklagte Ziff. 2 zu, weil für das vom Beklagten Ziff. 1 gelenkte Fahrzeug unstreitig bei der Beklagten Ziff. 2 eine Haftpflichtversicherung besteht.

Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe nach § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte Ziff. 2 geriet in Folge des Schreibens der Klägerin vom 30.03.2011 und der darin gesetzten Zahlungsfrist ab dem 07.04.2011 in Verzug. Der Beklagte Ziff. 1 hingegen ist erst durch die Zustellung der Klage am 20.07,2011 in Verzug geraten, weil der Verzug der Beklagten Ziff. 2 gemäß § 425 Abs. 2 BGB nicht gegen den Beklagten Ziff. 1 wirkt und nicht vorgetragen wurde, auf welchem Wege der Beklagte Ziff. 1 zuvor in Verzug gesetzt worden wäre. Die vorgelegten Schreiben sind alle an die Beklagte Ziff. 2 gerichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin hat keine besonderen Kosten ausgelöst und ist verhältnismäßig geringfügig. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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  1. BGH Leser sagt:

    Sehr ordentlich begründetes Urteil.
    Das erkennende Gericht kommt trotz der nicht ganz alltäglichen Schadenkonstellation ohne Hinzuhiehung eines gerichtlichen Sachverständigen aus.

    Daher Respekt an das erkennende Gericht.

  2. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Leute,
    der Kläger dieses Rechtsstreites kann mit Sicherheit die von der NJW-Redaktion an mich gerichtete Anfrage vom 27.2.2012 beantworten, ob das im Captain-Huk-Blog veröffentlichte Urteil des LG Stuttgart v. 9.12.2011 – 10 O 134/11 – inzwischen rechtskräftig geworden ist. Es wäre schön, wenn die Antwort zeitnah hier bekannt gegeben werden könnte. So wird dann auch ein weiteres Urteil über diesen Rahmen hinaus veröffentlicht.
    Mit freundl. Grüßen
    F-W Wortmann

  3. joachim otting sagt:

    …schneller ist vielleicht, RA Werner Dory in Göppingen direkt zu fragen. Steht ja im Vorspann, dass er das war.

  4. F-W Wortmann sagt:

    Danke Herr Otting,
    habe ich heute mittag schon versucht. Manchmal sieht man voller Bäume keinen Wald mehr. Lag auch vielleicht daran, dass ich den Beitrag nicht eingestellt habe.

  5. F-W Wortmann sagt:

    Wie mir der Klägervertreter, Herr RA Werner Dory in Göppingen, heute morgen fernmündlich mitteilte, hat die Beklagte alles gezahlt und das Urteil ist damit rechtskräftig.

  6. Weißnichtweiter sagt:

    Ist hier eine Rechtsprechung bekannt, in der für solche Fälle wie hier, die Obergrenze auf bis zu 200 % festgelegt wurde ?

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