LG Ellwangen, Az.: 3 O 92/12 vom 26.09.2013, verurteilt ADAC-Versicherer Schadensersatz von 100 % zu leisten und lässt den Versicherer wegen unsubstantiierten Restwerteinwurf abblitzen

Das nachfolgende Urteil zeigt in aller Deutlichkeit, wie unerlässlich versierter Sachverstand zur Durchsetzung berechtigter Schadensersatzansprüche nach Verkehrsunfällen ist. Insbesondere wenn es nicht nur um die Höhe des Schadensersatzes geht, sondern auch der Unfallhergang einer analytischen und gerichtlichen Bewertung unterliegt.

Voraussetzung, den Anspruch gerichtlich durchsetzen zu können, war zunächst das im Hinblick

– der Schadenzonen und

– der Schadenintensität mittels Fotodokumentation,

– der Schadenhöhe mittels Kalkulation

erstellte, Beweise sichernde Kfz-Schadensgutachten des unabhängigen Sachverständigen.

Dann brauchte es weiterhin

– eines engagierten Verkehrsrechtsanwaltes und

– eines schadensersatzrechtlich kompetenten Richters,

der wiederum

– auf einen erfahrenen Unfallanalytiker

zwecks Rekonstruktion des Unfallherganges zurückgreifen konnte.

Bleibt daher zu hoffen, dass dem einen oder anderen Richter nach Studium des nachfolgenden Urteils „ein Licht dahingehend aufgeht“:

Unabhängige Beweissicherung unterliegt nachweislich nicht (allein) dem Selbstzweck von Sachverständigen im Allgemeinen und schon gar nicht der Kfz-Sachverständigen im Besonderen.

Ohne unabhängigen Sachverstand keine Rechtssicherheit für Rechtssuchende.

Mangelnde Rechtssicherheit für Sachverständige untergräbt deren Unabhängigkeit.

Doch nun zum Urteil. Beklagte waren die Unfallverursacherin und deren ADAC-Versicherer, vertreten durch RA M. aus Köln.

Im Streit stehen:

– die Schuldfrage zum Unfallhergang während eines Überholvorganges einer Fahrzeugkolonne

– der Restwert eines Porsche Boxter

– und die vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Verkündet am 26.09. 2013

Landgericht Ellwangen
3. Zivilkammer

Im Namen des Volkes

Urteil

Im Rechtsstreit

Kläger

gegen

1.

2.   ADAC Autovers. AG
vertreten durch d. Vorstand Josef Halbig (Vorsitzender) Hansastr. 19, 80686 München

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:
Rechtsanwalt M., Köln

wegen Schadensersatz

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juli 2013 durch Richterin am Landgericht S. als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 15.029,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 51,589,95 € vom 28.11.2011 bis 13.12.2011, aus 26.589,95 € vom 14.12.2011 bis 14.01.2012 und aus 15.029,58 € seit 15.01.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltkosten in Höhe von 1.236,17 € und in Höhe von 809,43 € zuzahlen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 15.029,58 €.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten restlichen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am xx.11.2011 auf der Kreisstraße K 3266 auf Gemarkung 73574 Iggingen in Fahrtrichtung von der Hirschmühle Richtung Iggingen ereignet hat.
Die Beklagte Ziffer 1 befuhr mit ihrem PKW Ford Fiesta, der bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversichert ist, auf der Kreisstraße hinter der mit dem Fahrzeug Renault Twingo fahrenden Zeugin … . Vor der Zeugin fuhr der Zeuge … mit seinem Traktor mit Anhänger mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 km/h. Hinter der Beklagten Ziffer 1 fuhr der Zeuge  … mit seinem Geländewagen mit Anhänger, dahinter befand sich der Kläger mit seinem PKW Porsche Boxter.

Der Kläger überholte als letzter der Fahrzeugkolonne.

Als er das Fahrzeug des Zeugen … bereits passiert hatte und er sich mit dem rechten Hinterrad seines Pkws auf Höhe des linken Vorderrads des Fahrzeugs der Beklagten Ziffer 1 befand, bewegte diese ihr Fahrzeug nach links ohne den Blinker zu setzen und erfasste den Porsche des Klägers am rechten Hinterrad, womit es zur Kollision kam.

Das Fahrzeug des Klägers wurde zunächst nach links in die dortige Leitplanke abgewiesen und schleuderte danach über die Fahrbahn nach rechts, wo es in der Leitplanke am rechten Straßenrand zum Stillstand kam und die Beklagte Ziffer 1 nochmals mit dem PKW des Klägers kollidierte.

Am Fahrzeug des Klägers trat Totalschaden ein. Der Wiederbeschaffungswert beträgt
56.000,- €. Der Restwert ist in Streit.

Die Beklagte Ziffer 2 hat dem Grund nach 75 % des klägerischen Schadens erstattet.

Der Kläger trägt vor:

Er verlange seinen Schaden von den Beklagten zu 100 % ersetzt. Der Unfall sei ausschließlich von der Beklagten Ziffer 1 verursacht worden. Für ihn sei der Unfall unvermeidbar gewesen.
Er habe, nachdem er sich vergewissert habe, dass keiner der vor ihm Fahrenden Anstalten gemacht habe, einen Überholvorgang einzuleiten und weder von hinten noch im Gegenverkehr ein Fahrzeug gekommen sei, zum Überholen angesetzt. Er habe durch Hupen die vor ihm fahrenden Fahrzeugführer aufmerksam gemacht und seine Überholabsicht durch Setzen des linken Blinkers rechtzeitig angezeigt. Beim Überholen habe er einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu den zu überholenden Fahrzeugen eingehalten.

Die Beklagte Ziffer 1 habe sich grob verkehrswidrig verhalten.

Sie habe ohne den Blinker zu setzen unter Missachtung jeglicher Vorsicht, insbesondere ohne zurückzuschauen, plötzlich und unvorhersehbar ebenfalls einen Überholvorgang einleiten wollen. Dabei habe sie ihn übersehen, was bei gehöriger Aufmerksamkeit vermieden worden wäre.

Er habe, da entsprechende Anzeichen gefehlt hätten, nicht damit rechnen müssen, dass ein vor ihm fahrendes Fahrzeug ebenfalls zum Überholen ausschert. Sein Fahrzeug habe sich zum Zeitpunkt der Kollision mit der rechten Seite mindestens einen Meter von der Mittellinie entfernt befunden.

Unter Berücksichtigung eines unstreitigen Wiederbeschaffungswerts seines Fahrzeugs in Höhe von 55.121,95 €, eines Restwertes in Höhe von 3.600,- € und einer Zahlung der Beklagten in Höhe von 36.646,46 €, verbleibe ein Restanspruch in Höhe von 14,875,49 €, der neben aufgrund der Erstattung in Höhe von 75 % noch offenen Abschleppkosten von 108,59 € und restlicher Auslagenpauschale von 27,50 € sowie unfallbedingten Fahrkosten in Höhe von 18,- € verlangt würden.
Der Restwert des Fahrzeugs betrage 3.600 € entsprechend dem von ihm eingeholten Gutachten … . Der von der Beklagten Ziffer 2 in Abzug gebrachte Restwert des Fahrzeugs in Höhe von 4.695 € sei nicht anzusetzen, da nicht nachvollziehbar sei, von wem dieses Angebot stamme und wie es ermittelt worden sei.

Die der Beklagten Ziffer 2 mit Schriftsatz vom 15.11.2011 bis zum 28.11.2011 gesetzte Frist zur Zahlung hätte sie verstreichen lassen.

Unstreitig habe er außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus einem Streitwert von 15.029,58 € in Höhe von 1.236,17 € sowie aus einem Streitwert von bis zu 40.000,- € bezogen auf den außergerichtlich regulierten Betrag in Höhe von restlichen 809,43 €, die die Beklagten zu tragen hätten. Bei beiden Abrechnungen sei eine Geschäftsgebühr von 1,8 unter Berücksichtigung des Umfangs der Angelegenheit, des Schwierigkeitsgrades und des Regulierungsverhaltens der Beklagten Ziffer 2 angemessen.

Der Kläger beantragt.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 15.029,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 51.589,95 Euro vom 28.11.2011 bis 13.12.2011, aus 26.589,95 Euro vom 14.12.2011 bis 14.01.2012 und aus 15.029,58 Euro seit 15.01.2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.236,17 Euro und in Höhe von 809,43 Euro zu zahlen.

Die Beklagten beantragen.

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:

Der Kläger habe zu 25 % den Schaden selbst zu tragen, da er beim Kolonnensprung damit habe rechnen müssen, dass eines der vor ihm befindlichen Fahrzeuge angesichts des mit langsamer Geschwindigkeit vorausfahrenden Traktors ausscheren würde.
Sie – die Beklagte Ziffer 1 – sei nur gut 5 bis 10 cm hinter dem Anhänger herausgezogen, um festzustellen, ob sich für sie eine Gelegenheit zum Überholen des Traktors biete.
Der Kläger habe nicht den geringsten gebotenen Seitenabstand von einem Meter zum Fahrzeug der Beklagten Ziffer 1 eingehalten.

Zumindest aber rechtfertige eine erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs die vorgenommene Quotelung.

Der Restwert des Fahrzeugs betrage 4.695,00 Euro und nicht 3.600, 00 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidlichen Vernehmungen der Zeugen
„… und … „. Wegen deren Beurkundungen wird vollinhaltlich auf das Sitzungsprotokoll vom 09.07.2013 (Bl. 98 ff.) verwiesen.

Außerdem hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang (vgl. Gutachten vom 10.01.2013, Bl. 58 ff.) und Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2013 (Bl. 98 ff).

Beide Parteivertreter haben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen (Schriftsätze Klägervertreter vom 09.08.2013 und Beklagtenvertreter vom 19.08.2013, Bl. 117 und 122). Die Vernehmung der Zeugen … und … wurde nicht
mehr beantragt.

Die Bußgeldakte des Landratsamts Ostalbkreis … wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aufgrund des Verkehrsunfalls vom 28.11.2011 gem. §823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §5 Abs. 4 StVO, §7 Abs. 1 StVG in Höhe von 15.029,58 €.

1)
Nach der Beweisaufnahme stellt sich der Unfallhergang so dar, dass die Beklagte Ziffer
2 allein für den Unfall verantwortlich ist und den Kläger kein Mitverschulden, aber auch
keine Mithaftung aufgrund einer Betriebsgefahr trifft.

Bei Zugrundlegung eines Unfallhergangs, der sich aus einer Gesamtwürdigung aller Beweismittel sowie der Anhörung der Parteien ergibt, fällt der Beklagten Ziffer 1 ein schuldhafter Verstoß gegen § 5 Abs. 4 und Abs. 4a StVO zur Last, der den Verkehrsunfall und den Schaden am klägerischen Fahrzeug verursacht hat.
Gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 StVO muss sich ein Verkehrsteilnehmer, der zum Überholen ausscheren will, so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Hierzu muss er sich durch Rückschau – auch unmittelbar vor dem Ausscheren – darüber vergewissern, dass er ohne Behinderung oder Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs überholen kann (OLG Düsseldorf, DAR 2005,217).

Darüber hinaus hat der Überholende gemäß § 5 Abs. 4a StVO das Ausscheren zum Überholen rechtzeitig und deutlich unter Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers anzuzeigen, und zwar solange, bis sich der Verkehr darauf einstellen konnte (OLG Düsseldorf DAR 2005, 217; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 5 StVO, Rdn. 46).

Diesen Anforderungen genügte das Verhalten der Beklagten Ziffer 1 nicht. Unstreitig hat sie den Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt.

Wie der Sachverständige überzeugend, ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, hat sie ihr Fahrzeug so weit rausgezogen, dass sie den Fahrtrichtungsanzeiger hätte betätigen müssen.

Der Sachverständige kommt auf der Grundlage der Lichtbilder, den Feststellungen in der Bußgeldakte und den festgestellten Schäden an den Fahrzeugen zu einer Unfallrekonstruktion, die nachvollziehbar und plausibel ist. Die offenen Fragen der Prozessbeteiligten konnten in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2013 ausreichend geklärt werden. Die Rekonstruktion des Sachverständigen ergab, dass sich die Fahrzeuge zunächst mit den Spiegeln berührt haben, es dann einen Flankenkontakt gegeben hat, der zu einer Verhakung des linken vorderen Rads des Fords der Beklagten Ziffer 1 und des rechten hinteren Rades des Porsche des Klägers geführt hat. Durch den Abriss des Rads beim Porsche schleuderte dieser.

Aus den Anordnungen der Fahrzeuge während der Erstkontaktphase und einer Plausibi-litätsprüfung leitet der Sachverständige ab, dass der seitliche Abstand zwischen den streitgegenständlichen Fahrzeugen anfänglich nicht mehr als 50 cm betragen hat (Seite 30/31 des Gutachtens). Damit muss die Beklagte Ziffer 1 aber deutlich mehr als die von ihr behaupteten 5 bis 10 cm herausgezogen sein, nämlich 50 cm, da sie den Seitenabstand zwischen den Fahrzeugen hat überbrücken müssen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger sein Fahrzeug ihrem Fahrzeug seitlich angenähert hat.

Der Einlassung der Beklagten Ziffer 1, dass sie bei einem Blick in den Rückspiegel den Kläger nicht gesehen hat, kann nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht gefolgt werden.

Vielmehr hat die Beklagte Ziffer 1 sich nicht hinreichend durch eine Rückschau über den nachfolgenden Verkehr informiert. Der Sachverständige erläutert in seinem Gutachten auf Seite 29, dass aufgrund des Erstkontakts zwischen den beiden Fahrzeugen über die jeweiligen Außenspiegel sich das Klägerfahrzeug bereits einen Sekundenbruchteil vor der Kollision auf der linken Fahrspur befunden hat und das Klägerfahrzeug durch einen Blick in den linken Außenspiegei und/oder einen Schulterblick für die Beklagte Ziffer 1 erkennbar gewesen ist. Dies veranschaulicht die vom Sachverständigen gefertigte Skizze mit den jeweiligen Sichtkegeln (Seite 29 des Gutachtens). Nachdem der Kläger zuvor bereits das Fahrzeug des Zeugen … überholt hat, ist es für das Gericht nur nach vollziehbar, dass das Fahrzeug des Klägers für die Beklagte Ziffer 1 erkennbar unmittelbar vor dem Ausscheren zumindest bei einer Rückschau zu sehen gewesen sein musste.

b)
Dem Kläger ist hingegen kein Verschulden anzulasten.
Er hat mit dem Überholen nicht gegen § 5 Abs. 3 Ziffer 1 StVO verstoßen, da zum Zeitpunkt des Beginns des Überholvorgangs eine unklare Verkehrslage nicht vorgelegen hat. Ohne Hinzutreten von besonderen Umständen, die für ein unmittelbar folgendes Ausscheren sprechen, muss der eine Fahrzeugkolonne Überholende nicht damit rechnen, dass ein in der Kolonne befindliches Fahrzeug unvermittelt nach links ausschert (OLG Rostock MDR 2007, 478).

Der Kläger hat auch einen genügenden Seitenabstand zum Fahrzeug der Beklagten Ziffer 1 eingehalten. Der Zeuge … , den der Kläger mit seinem Porsche zunächst überholte, sah den Porsche in der Mitte fahren und fühlte sich nicht gefährdet. Zu dieser Feststellung des mittigen Fahrens auf der Überholspur gelangte auch der Sachverständige. Laut Sachverständigengutachten hätte das Klägerfahrzeug nicht weiter links auf der Fahrbahn fahren können, da die Fahrspurbreite ca. 2,50 Meter beträgt und der PKW des Klägers, Porsche Boxster, mit seinen Außenspiegeln ca. 2,10 – 2,20 Meter breit ist.
Zu der Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs kann der Sachverständige mit den vorliegenden Anknüpfungstatsachen keine weiterführenden Aussagen treffen.
Der Sachverständige hat in seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2013 einen möglichen Achsbruch des Porsches des Klägers als Unfallursache auf der Grundlage des Bildmaterials der Polizei unter Berücksichtigung von Alter und Zustand des Fahrzeugs ausgeschlossen.

Der Unfall war für den Kläger auch unabwendbar im Sinn des§ 17 Abs. 3 StVG.

Die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen führen dazu, dass der Verkehrsunfall für den Kläger unter den festgestellten Umständen mit normalen Reaktionen nicht vermeidbar gewesen ist. Weder hätte ein Ausweichen nach links aufgrund der genannten Fahrbahnbreite Abhilfe geleistet noch eine andere Reaktion. Nachdem die Fahrbahnbreite nur 2,50 Meter beträgt und der Porsche mit den Außenspiegeln nur 2,10-2,20 Meter breit ist, ist die Ausführung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, dass die Positionierung des Fahrzeugs auf der Fahrbahn keinen Einfluss auf die Vermeidbarkeit hat, nachvollziehbar.
Die Prüfung der Unabwendbarkeit hat sich aber nicht nur auf die Frage zu erstrecken, ob der Kläger in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat, sondern auch, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Dies betrifft die Frage, ob einem Kolonnensprung stets eine betriebsgefährliche Komponente innewohnt. Nach der Rechtsprechung ist festzustellen, dass die Betriebsgefahr dann zum Tragen kommt, wenn die besonderen Umstände dem Idealfahrer auferlegen, auf das Überholen zu verzichten. Denn auch ein Idealfahrer wird sich im Allgemeinen darauf verlassen dürfen, dass sein Vordermann nicht seinerseits zum Überholen ausschert, ohne vorher ein Blinkzeichen gegeben zu haben (vgl. BGH NJW 1987, 322).
In einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26.07.2001 (OLGR Karlsruhe 2011, 361) wird ausgeführt, dass der Überholende beim Überholen einer Fahrzeugkolonne aufgrund der unklaren Verkehrssituation durch Lichtzeichen oder Hupen sicherstellen muss, dass die vorausfahrenden Fahrzeugführer seine Überholabsicht sicher und rechtzeitig bemerken. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nachgekommen, indem er beim Einleiten des Überholvorgangs und während des Überholens eine gewisse Zeit gehupt hat Ein solches Hupen wurde in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2012 von der Beklagten Ziffer 1 bestätigt. Der Zeuge … , der sich mit seinem Geländewagen unmittelbar vor dem klägerischen Fahrzeug befand, bekundete glaubhaft, dass er ebenfalls ein Hupen vernommen habe und dieses Hupen lang gewesen sei, auch als der Porsche bereits auf seiner Höhe gewesen sei. Seine Beifahrerin, die Zeugin bestätigte in ihrer Aussage ein durchgehendes Hupen.

Der Überholvorgang fand weder an einem Ort statt, wo zuvor über eine längere Strecke ein Überholvorgang bestanden hat und der Kläger damit rechnen musste, dass die vorausfahrenden Kraftfahrer nunmehr gleichfalls die Möglichkeit nutzen, zu überholen (vgl. BGH NJW 1987, 322), noch befand sich vor dem Kläger ein deutlich schneller beschleunigendes Fahrzeug, dessen Fahrer die Gelegenheit zum Überholen hätte bekommen müssen (OLG Rostock MDR 2007, 1014). Der Zeuge … sagte zu den örtlichen Verhältnissen aus, dass er bereits 700-800 Meter hinter dem Traktor hergefahren sei, nachdem er aus dem Kreisverkehr ausgefahren sei. Dies steht im Einklang mit der Schilderung der Örtlichkeit durch den Sachverständigen, der die Annäherung an die Unfallstelle mit mehreren hundert Metern geradeaus beschreibt (Bl. 16 seines Gutachtens). Auf diesen Metern hat keiner der Vorausfahrenden die Möglichkeit des Überholens genutzt.

2)
Der vom Kläger vorgenommenen Abrechnung seines Schadens ist in vollem Umfang zu
folgen.

Ausgehend von einem Wiederbeschaffungswert bei dem eingetretenen Totalschaden von netto 55.121,95 € ist ein Restwert des Fahrzeugs in Höhe von 3.600 € entsprechend dem Gutachten des Privatsachverständigen … der von dem Kläger beauftragt wurde, anzusetzen. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung der Beklagten Ziffer 2 verbleibt ein Anspruch in Höhe von 14.875,49 €.

Von der Zweitbeklagten wurde zu Unrecht ein Restwert in Höhe von 4.695, 00 Euro in Abzug gebracht.
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2005 (BGH NJW 2005, 3134) hat der Haftpflichtversicherer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend macht, es hätte ein höherer Restwert erzielt werden müssen. Diesen Anforderungen genügen die Beklagten nicht.

Sie haben den Restwert zwar in Abzug gebracht, jedoch nicht dargelegt, woher diese Festlegung stammt und vom wem ein solcher Restwert ermittelt wurde. Ein substantiierter Sachvortrag hierzu fehlt.

Die Beklagten haben aufgrund der vollen Haftung auch die restlichen 25 % der Abschleppkosten in Höhe von 108,59 € sowie die restliche Auslagenpauschale in Höhe von 27,50 € zu erstatten. Als weitere Schadensposition sind die schlüssig dargelegten
Fahrtkosten zu erstatten, dessen Höhe das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 18,- € schätzt,

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 286, 288 ZPO.

Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind mangels Bestreiten in der vom Kläger beantragten Höhe als Verzugsschaden gemäß § 286 BGB von den Beklagten zu erstatten. Die im Schreiben vom 15.11.2011 gesetzte Frist haben die Beklagten nicht eingehalten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1
und 2 ZPO.

S.
Richterin am Landgericht

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